Mittwoch, 18. März 2009

Spektakulär! Franzosen entdecken Abendbrot!

Artikel im Hamburger Abendblatt vom 18.03.2009

Man trifft sich zu einem zwanglosen Beisammensein am frühen Abend
Drunch - der neue Sonntags-Trend aus Paris
Kleine Speisen auf buntem Geschirr liebevoll angerichtet:
Drunch ist etwas für Menschen, die Spaß am zwanglosen Essen mit Freunden haben.

Es ist kein Mittagessen, kein Abendessen und kein Kaffeeklatsch: Der neue Trend, der in den USA und Frankreich immer mehr Freunde findet, heißt Drunch. Dabei handelt es sich um einen Mix aus den gängigen Mahlzeiten - Drunch mischt Lunch, Brunch und französisches Dîner oder amerikanisches Dinner.1 Die neue Essenszeit vor allem am Sonntag ist auf 18 Uhr terminiert. Sie setzt sich immer mehr durch, sowohl in Bars und Restaurants als auch privat.Drunch ist perfekt für Frühschläfer, Menschen also, die am Sonntag Freunde einladen wollen und dennoch früh ins Bett gehen müssen, um am Montag in Form zu sein. So bleibt der Sonntag für die Familie, für Ausstellungen und Ausflüge und man sieht doch noch seine Freunde, bevor die Arbeitswoche wieder beginnt.Das Deste daran: Alles ist erlaubt, Drunch ist informell.2 Jede Etikette, die in Frankreich sonst bei mehrgängigen Menüs gilt, ist abgeschafft. Deshalb begeistert der Drunch die Franzosen.Dabei kommen nicht aufwendig zubereitete Braten auf den Tisch, sondern leckere Kleinigkeiten, eine Mischung aus originellen Vorspeisen, Snacks, Häppchen und spanischen Tapas.3 Vor allem Kreativität ist hier gefragt. Es darf gern auch Fingerfood serviert werden. Alles sollte aber interessant angerichtet sein. Immer mehr Läden in Paris verkaufen deshalb das passende Geschirr dafür: Minitöpfe und Schalen oder kleine Servierlöffel.Man kann beim Drunch grundsätzlich servieren, was gefällt und gerade im Kühlschrank ist.4 Es muss nicht teuer sein." Es ist eine Erfindung in Krisenzeiten" 5 , sagt deshalb Vincent Grégoire vom Pariser Trendbüro Nelly Rodi. Jeder kann auch etwas mitbringen, damit der Gastgeber nicht zu viele Ausgaben und zu viel Aufwand hat.6 Und statt sich dafür extra neues Geschirr zu kaufen, darf man gern kleine Schalen bunt mischen, die man ohnehin zu Hause schon hat 7 - Hauptsache, das Auge isst mit.Eine Regel sollte beim Drunch allerdings beachtet werden. Die Zeit ist limitiert, etwa von 17 bis 21 Uhr.8 Spätestens dann darf der Gastgeber seine Gäste ohne schlechtes Gewissen vor die Tür komplimentieren oder im Restaurant endlich zum Aufbruch drängen.tk"

erschienen am 18. März 2009

1 Ich fand schon "Drunch" einen bescheuerten Namen, aber der Mischung hätte ja auch zum Beispiel Lunner, Brunner, Dinch oder Brinch rauskommen können. Da haben wir Glück gehabt.
2 Endlich ohne Krawatte zu Freunden. Puh.
3 Nie dagewesen. Wer erklärt mir den Unterschied zwischen Tapas und Häppchen? Oder den zwischen Häppchen und Snacks? Obwohl, es gibt außerdem ja noch Vorspeisen, Fingerfood UND leckere Kleinigkeiten. Sozusagen Diversity-Drunch.
4 Das zu essen, was da ist, ist ebenfalls ausgesprochen originell.
5 Es ist eine Erfindung in Krisenzeiten, abends Häppchen zuzubereiten, aus Zutaten, die vorher gekauft wurden, und diese mit Freunden zu verzehren, sagt Vincent Grégoire. Hoffentlich wissen die im Trendbüro Nelly Rodi, was sie an diesem Trend-Headhunter haben.
6 Bourgeois-bohème, wie ich nun einmal bin, macht sich Erleichterung breit: die meinen uns! Wir sind Mitbegründer dieses Trends - und das schon seit Jahren! Schon vor der Krise auf die Krise reagiert. Hammer. Vincent, pass gut auf deinen Job auf, hier haben auch andere ihr Ohr am Puls der Zeit.
7 Nicht nur, dass man zubereiten darf, was man gekauft hat, man darf es auch auf Schalen anrichten, die bereits im Haus sind. Die Dimension der Finanzkrise wird einem in solchen Momenten erst richtig deutlich. Es ist bedrückend.
8 Ja, ohne Regeln geht´s nicht. Wer die Reste aus dem Kühlschrank (z. B. Tabasco, Senf, Tomatenmark, eine Dose Bier und hinten rechts die seit Dezember offene Marmelade) in Form von Tapas nicht bis 21 Uhr aufgegessen hat, der muss auch nicht auf unserem Sofa sitzen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Judith - Ich hab' nie in New York von Drunch gehört, aber wir nennen das Phänomen "small plates" or "tapas". Man macht einen Mahl aus 6 bis 8 kleinen Vorspeisen.

David H.